Glossar

Schielen
Definition:
Schielen und Schwachsichtigkeit

Was sind die entscheidenden Fragen in der Kinderaugenheilkunde?

Sehen muß gelernt werden! Es handelt sich um einen aktiven Lernprozeß ab der frühesten Kindheit. Im Rahmen einer kinderaugenheilkundlichen Untersuchung ist daher insbesondere zu klären, ob die normale Sehentwicklung beider Augen durch ein Schielen (Strabismus) oder eine höhergradige Fehlsichtigkeit gefährdet ist, da sich bei fehlendem Ausgleich einer solchen Störung eine Schwachsichtigkeit (Amblyopie) entwickeln und die Entwicklung des räumlichen Sehens ausbleiben würde.

Entscheidend für die Prognose der Sehentwicklung des Kindes ist eine frühzeitige und konsequente Therapie! Je früher desto besser, denn je später eine Therapie erfolgt, desto mehr muß an Therapie investiert werden, um ggf. auch nur noch eine leichte Befundbesserung zu erreichen! Wird eine Schwachsichtigkeit nicht rechtzeitig entdeckt bleibt sie lebenslang bestehen! Schielen ist nie niedlich oder harmlos und „wächst sich auch nicht aus“! Lediglich in den ersten Lebenswochen ist ein gelegentliches Schielen in der Regel nicht besorgniserregend. Auch die Fixation der Objekte will gelernt sein.

Wie sieht die Untersuchung aus?

Zunächst wird das Kind von einer speziell ausgebildeten Fachkraft für Schielerkrankungen (Orthoptistin) insbe-sondere auf eine altersentsprechende Sehschärfe, Koordination beider Augen und räumliches Sehen untersucht. Danach werden dem Kind in der Regel pupillenerweiternde Augentropfen verabreicht. Dies erfolgt 3x innerhalb von 30 Minuten. Nur so ist es nur so möglich ist, den Grad der Fehlsichtigkeit genau zu bestimmen. Die Messung erfolgt dann mit der sogenannten „Schattenprobe“. Diese ist schmerzfrei, das Auge wird nicht berührt, auch wenn natür-liche gerade bei kleineren Kindern die Untersuchung wegen der Helligkeit als unangenehm empfunden werden kann.

Was ist Schielen und welche Formen gibt es?

Beim Schielen (Strabismus) kommt es zu einer Fehlstellung eines Auges. Während ein Auge ein Objekt fixiert, weicht das andere Auge von dieser Fixation ab. Eine Unterscheidung der verschiedenen Strabismusformen ist für Therapie und Prognose entscheidend. So gilt es ständiges (manifestes) von zeitweiligem (latentem) Schielen zu unterscheiden. Weiterhin gibt es Einwärts- und Auswärtsschielen oder auch ein Höhenschielen. Auch die Größe des Schielwinkels ist für die Einteilung der Schielformen und der hieraus resultierenden Therapie entscheidend. Wird insbesondere ein manifestes Schielen nicht adäquat therapiert resultiert hieraus eine Amblyopie.

Was ist eine Amblyopie?

Unter einer Amblyopie versteht man die Schwachsichtigkeit eines Auges. Obwohl das Auge organisch gesund ist, entwickeln sich aufgrund einer fehlenden oder qualitativ unzureichenden Bildinformation auf der Netzhaut des Auges im Gehirn nicht die entsprechenden Bahnen, um die Bildinformation gut zu verarbeiten und einen korrekten Seheindruck zu vermitteln. Ursächlich hierfür ist entweder ein Schielen oder eine höhergradige Fehlsichtigkeit.

Was sind die Folgen des Schielens und der höhergradigen Fehlsichtigkeit?

Liegt ein unkorrigiertes Schielen vor, wird das entsprechende Auge „abgeschaltet“, da die Bildinformation auf den Netzhäuten beider Augen unterschiedlich ist und sonst im Gehirn Doppelbilder entstehen würden. (Doppelbilder entstehen erst bei akuten Störungen im höheren Lebensalter.) Hieraus resultiert wiederum, daß das Gehirn vom betroffenen Auge keinen „Input“ bekommt, und sich die entsprechenden Bahnen im Gehirn zur Verarbeitung der Bildinformation nicht ausbilden. Ähnliches gilt für die höhergradige Fehlsichtigkeit. Insbesondere bei stärkerer Hornhautverkrümmung oder auch bei einem starken Seitenunterschied der Fehlsichtigkeit beider Augen leidet auf dem betroffenen Auge die Bildqualität auf der Netzhaut, sodaß das Gehirn das betroffene Auge ebenfalls abschaltet. Eine Weitsichtigkeit (>95% aller Kinder sind weitsichtig!) ist nur dann auszugleichen, wenn sehr hohe Werte vorliegen, da dann die Gefahr, ein Schielen zu entwickeln deutlich erhöht ist. Liegt jedoch neben der Weitsichtigkeit bereits ein Schielen vor ist auch schon bei geringerer Weitsichtigkeit ein Ausgleich erforderlich.

Wie sieht die Therapie aus?

  • Versorgung mit Brillengläsern um Fehlsichtigkeiten zu korrigieren.
  • Behandlung der Schwachsichtigkeit durch Abkleben (Okklusion) des besseren Auges, um das schwächere durch Training zu fördern.
  • Operative Korrektur im Bereich der Augenmuskeln.

Entscheidend für den Therapieerfolg ist eine gute und konsequente Mitarbeit der Eltern, die dafür sorgen müssen, daß die Brille getragen und das Abkleben zuverlässig durchgeführt wird. Dies ist leider oftmals gegen Widerstand des Kindes durchzusetzen, da die Einsicht des Kindes durch die gute Funktion des Partnerauges manchmal gering ist. Das gute Auge ist je nach Ausprägung der Amblyopie unterschiedlich lange abzukleben; nie dauerhaft, um die Sehent-wicklung des guten Auges nicht zu gefährden! Häufig ist die Okklusion in immer kürzerer Dauer bis ins Jugendalter hinein fortzuführen.

Ziel der Okklusion ist es die Sehschärfe des schwachsichtigen Auges anzuheben, sodaß beide Augen möglichst gleich gut sehen. Zeichen hierfür kann sein, daß das Kind bei der Fixation zwischen dem schielenden und dem nicht-schielenden Auge hin und her springt, da nun beide Augen gleich gut sind (sogenanntes „freies Alternieren“), sodaß die Eltern das Gefühl haben können, daß der Verlauf sehr unbefriedigend sei, da nun beide Augen schielen würden. Dies ist aber kein Behandlungsfehler, sondern gewünscht, da nun die Schwachsichtigkeit behoben ist und sich ggf. eine Schiel-Operation anschließen kann. Die adäquate Entwicklung der Sehschärfe ist in diesem Zusammenhang entscheidender als die Schielstellung, da bei ersterem ein zeitliches Limit bis ins frühe Schulalter gegeben ist!

Ist die Amblyopiebehandlung erst sehr spät begonnen worden und somit durch das Abkleben und die Brille nicht mehr mit einer zufriedenstellenden Entwicklung der Sehschärfe zu rechnen, kann eine computergestützte Amblyopieschulung diskutiert werden.

Nicht jedes Schielen muß operiert werden! Eine Schieloperation sollte überlegt werden, wenn aufgrund der Größe des Schielwinkels nicht mit einer beidäugigen Zusammenarbeit gerechnet werden kann. Der Eingriff sollte um das Vorschulalter herum erfolgen. Voraussetzungen sind ein konsequentes Tragen der Brille, möglichst seitengleiche Sehschärfe, ein stabiler Schielwinkel sowie eine Kooperation seitens des Kindes, um eine genaust mögliche Winkel-ausmessung vor der Operation zu gewährleisten.

Was kann ich von Elternseite aus unternehmen?

Leider gibt es oft keine eindeutigen Merkmale, die auf ein Schielen oder eine hohe Fehlsichtigkeit hindeuten. Insbesondere ein Mikrostrabismus mit sehr kleinem Winkel führt leider oft zu einer starken Schwachsichtigkeit, da das Schielen auch aufmerksamen Eltern nicht auffällt und daher erst sehr spät erkannt wird, wenn eine verlässliche Sehschärfenbestimmung möglich ist. Auch eine einseitige starke Fehlsichtigkeit wird oft spät bemerkt, da normaler-weise beide Augen gleichzeitig sehen und das gute Auge die schlechte Bildinformation des Partnerauges im Gehirn überspielt. Daher wird eine augenärztliche Kontrolluntersuchung zum 1., 2. Und 4. Lebensjahr empfohlen. Je früher eine Therapie erfolgt, desto geringer der Aufwand und desto besser die Prognose!

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